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Faktencheck zur Umfahrung Aarwangen

Täuscht der Kanton Bern die Stimmbevölkerung? Wir zeigen in einem Faktencheck auf, was der Kanton behauptet und was wirklich war ist.


 Behauptung 1: 

«Die Umfahrungsstrasse ist nötig» 

Grundannahme, die zur öffentlichen Auflage des Projekts führte. 


















Behauptung 2: 

«Die geplante Variante ist die umfassende Bestlösung» 

Faktenblatt Übersicht zur Verkehrssanierung Aarwangen, Stand Februar 2022, Kanton Bern 

Fakt ist: Die Umfahrung ist absolut unnötig, schon gar nicht in der heute geplanten Art: 

• Selbst der Kanton Bern hat die Strasse zu Beginn als unnötig eingestuft. Doch die lokale Wirtschaft hat Druck gemacht. Deswegen hiess die Strasse ursprünglich auch Wirtschaftsstrasse, was in der Zweckmässigkeitsbeurteilung1 zur heutigen Strassenführung nachzulesen ist. 

• Dort steht auch: «Innerhalb der gesamtkantonalen Synthese (…) wird das Vorhaben Autobahnzubringer Oberaargau („Wirtschaftsstrasse“) aufgrund eines niedrigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses als Projekt mit niedrigster Priorität eingestuft.» 

• Würde man in der kantonalen Verkehrspolitik mit gleichen Ellen messen, müssten zahlreiche weitere Umfahrungsstrassen gebaut werden. Oft werden damit die Verkehrsprobleme nur kurzfristig verbessert oder verlagert. 

• Für die heute geplante Umfahrungsstrasse gibt es aber vor allem gute Alternativen! (s. folgende Punkte) 


Fakt ist: Die Zweckmässigkeitsbeurteilung, die der Kanton 2007 als Basis für die Strassenplanung in Auftrag gegeben hatte, spricht eine andere Sprache: 

«Unter Berücksichtigung aller Beurteilungselemente weist die [heute geplante] Bestvariante [West] zu wenige Vorteile gegenüber der Variante „Null+ auf.». Die Variante «Null+» ist also ebenbürtig, mit gezielten Verkehrsverbesserungen in Aarwangen und Umgebung aber viel billiger und schonender. 

«Die Teilergebnisse zeigen, dass das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse für alle [Umfahrungs]-Varianten negativ ist.» Auch die heute geplante Bestvariante kostet also mehr, als sie bringt. 



 1 ZMB Autobahnzubringer Oberaargau, Synthesebericht, 10. Mai 2007, R+R Burger und Partner AG 





























Behauptung 3: 

«Die Alternativ-Vorschläge der Gegner haben zum Ziel, die Umsetzung zu verteuern und zu verzögern.» 

Medienkonferenz des Regierungsrates zur Verkehrssanierung Aarwangen, 25. Februar 2022 

Zudem hat sich während der Planung der Strasse die Interessenabwägung durch die Ausscheidung des Smaragd-Gebietes Oberaargau komplett geändert: 

• Im Synthesebericht ist schon 2007 folgendes festgehalten: «In der Nutzwertanalyse schneidet die Variante West bei den Wirkungskriterien Verkehr und Städtebau/Siedlung am besten ab, steht aber bezüglich Beeinträchtigung des natürlichen Lebensraums aufgrund der Landschafts-zerschneidung am schlechtesten da.» 

• Einfach ausgedrückt lässt die Analyse des Kantons nur einen Schluss zu: Aus Sicht von Kulturland-, Landschafts- und Naturschutz ist die jetzt geplante Variante die schlechteste Variante von allen. 

• 2012 wurde das das Smaragd-Gebiet Oberaargau als Naturschutzgebiet von europäischer Bedeutung anerkannt. Damit schneidet die angebliche Bestvariante West seit dann noch schlechter ab als in der Zweckmässigkeitsbeurteilung von 2007. 

• Trotzdem wurde keine Neubeurteilung vorgenommen (s. Behauptung 3). 

• Auch auf die spätere Projektausarbeitung hatten die neuen Tatsachen kaum Einfluss. Das Smaragdgebiet wird im 300-seitigen Umweltverträglichkeitsbericht (2021) gerade mal auf einer Seite abgehandelt. 


Fakt ist: Der Kanton hat es versäumt, Sofortmassnahmen zu ergreifen und echte Alternativen aufzuzeigen, um die vorhandenen Verkehrsprobleme zu lösen. Für die - den Gegnern vorgeworfenen - Verzögerungen und Verteuerungen, ist der Kanton selbst verantwortlich! 

• Der Kanton hat die Situation in Aarwangen dreissig Jahre lang schleifen lassen, statt sofortige und rasch umsetzbare Verkehrsmassnahmen vor Ort zu treffen. 

• Zur Umfahrungsstrasse gibt es echte Alternativen, die vom Kanton aber verworfen wurden, ohne die Interessen unvoreingenommen abzuwägen (s. Behauptung 2). 

• Spätestens nach der Anerkennung des Smaragd-Gebiets Oberaargau durch den Europarat 2012, hätte der Kanton die Interessenabwägung neu vornehmen und auf eine Umfahrungsstrasse «über die grüne Wiese» verzichten müssen. Er wich vom einmal eingeschlagenen Weg jedoch keinen Zentimeter ab. 































Behauptung 4: 

«In Aarwangen herrscht eine unhaltbare Verkehrssituation.» 

Medienkonferenz des Regierungsrates zur Verkehrssanierung Aarwangen, 25. Februar 2022 

Faktenblatt Übersicht zur Verkehrssanierung Aarwangen, Stand Februar 2022, Kanton Bern 

 

• Im Gegenteil: Seine Fehlplanung liess sich der Kanton Bern in einer Mitwirkung 2015 bestätigten - schon damals, ohne dem Volk reinen Wein einzuschenken. 

• Die Variante Null+ wurde in der Mitwirkung verworfen. Diese Variante wäre rasch realisierbar, viel billiger, viel schonender für die Natur gewesen und hätte die Verkehrs-Sicherheit massiv erhöht. 

• Eine Tunnelvariante unter Aarwangen durch wurde im Synthesebericht zwar erwähnt, aber vorschnell und ohne vertiefte Prüfung verworfen. Ein Vergleich mit ähnlichen Projekten – aktuell in Oberentfelden AG – zeigt, dass eine Tunnelvariante für das «Bipperlisi» nicht viel teurer käme als die nun geplante Strasse. 

• Für Verteuerungen und Verzögerungen sind nicht die Gegner, sondern der Kanton verantwortlich. Statt das Naheliegende zu tun, wird jahrzehntelang auf Teufel komm raus an alten Plänen festgehalten, dem Druck der Wirtschaft nachgegeben und mit Sofortmass-nahmen ewig zugewartet. In den letzten 7 (!) Jahren wuchs der Projektkredit um 60 Mio. Franken an! 

• Projekte wie die Umfahrung Aarwangen sind aus der Zeit gefallen. Wollen wir wirklich unsere Lebensgrundlagen für Umfahrungsstrassen auf’s Spiel setzen, wenn es gute Alternativen dazu gibt? 


Fakt ist: Ja, in Aarwangen an der Hauptverkehrsachse zu wohnen, ist nicht lustig, wie im Nachbardorf Bützberg auch nicht. Daran hätte man aber schon längst etwas ändern können! Und: Der Kanton übertreibt, auch in seiner Botschaft für die Abstimmung! 

• Der Kanton rechnet gemäss Botschaft zur Abstimmung mit einem Anstieg der durchschnittlichen Fahrten an Werktagen von 17'000 auf 19'500 (Prognose 2040). Diese Prognose ist veraltet. Gemäss den Verkehrsperspektiven 2050 des UVEK ist zu erwarten, dass der Verkehr bis 2050 kaum mehr zunehmen wird. 

• Mit einem Verkehrsaufkommen von bis zu 17000 Fahrten an Werktagen befindet sich Aarwangen in guter Gesellschaft mit vielen anderen Gemeinden. Darunter sind auch Gemeinden mit bereits realisierten Umfahrungen, welche nicht die erhofften Entlastungen erbracht haben (Aarburg, Münsingen) 



Botschaft zur Abstimmung
botschaft-abstimmung-20230312.pdf (1.63MB)
Botschaft zur Abstimmung
botschaft-abstimmung-20230312.pdf (1.63MB)

















Behauptung 5: 

«Die Lebensqualität soll steigen, auch dank mehr Grün» 

https://www.verkehrssanierung-aarwangen.bve.be.ch 


• Auch in Sachen Unfälle ist Aarwangen kein Sonderfall. 47 Berner Gemeinden haben im Schnitt gemäss Unfallstatistik mehr Unfälle pro Jahr, 32 befinden sich ein einem ähnlichen Bereich. Sofort-massnahmen brächten zudem rasch Verbesserungen. 

• Die gemäss Kanton unhaltbare Situation hätte schon längst durch Massnahmen in Aarwangen und Region entschärft werden können, Anstatt dessen wurde auf den Weg des geringsten Widerstands vertraut und über die grüne Wiese geplant. 


Fakt ist: Es verschwinden 36 Fussballfelder Grün teilweise oder für immer unter Kies und Beton. Die Lebensqualität einiger Bürger*innen in Aarwangen wird zwar verbessert, aber die vieler anderer wird massiv beeinträchtigt, durch mehr Lärm, schlechtere Luft und mehr Verkehr. 

• Die neue Umfahrungsstrasse beansprucht gemäss Umweltverträglichkeitsbericht 193'000 m2 Boden temporär und ca. 66'000 m2 Boden definitiv. Das sind über 36 Fussballfelder «Grün», die temporär oder definitiv zerstört werden! 

• Insgesamt müssen 7 Fussballfelder Wald gerodet werden. Und das im Mittelland, wo der Wald sowieso schon unter Druck steht und im Zuge des Klima-wandels auch für uns Menschen immer wichtiger wird! 

• Für das Zuführen von Schüttmaterial, Beton, Belag, etc. und für das Abführen von Tunnelausbruchs- und Bodenmaterial benötigt man insgesamt rund 63'000 LKW-Fahrten. 

• Die heute schon stark mit Verkehr belastete Gemeinde Thunstetten erhält starken Mehrverkehr. 

• Die vom Gesetz her notwendigen Kompensations-Massnahmen vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die Strasse in erster Linie wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen unwiederbringlich zerstört. Zudem sind sie auch im Sinne des Gesetzgebers nicht ausreichend (s. auch Behauptung 6). 

• Wie derart die Lebensqualität in der Region steigen soll und woher das «mehr Grün» kommen soll, bleibt ein Geheimnis des Kantons. 



Behauptung 6: 

«Durch das Projekt entstehen bessere Bedingungen für die Umwelt» 

https://www.verkehrssanierung-aarwangen.bve.be.ch 
















Behauptung 7: 

«In die Erarbeitung des Projektes waren deshalb die Umweltverbände vertreten, und zwar auf Ebene Projektsteuerung.» 

https://www.verkehrssanierung-aarwangen.bvd.be.ch/de/start/umweltaspekte.html 

Medienkonferenz des Regierungsrates zur Verkehrssanierung Aarwangen, 25. Februar 2022 

Fakt ist: Der Kanton behauptet, dass «unter dem Strich die Umweltmassnahmen mehr Biodiversität und Ökologie schaffen würden». Es wäre wohl das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass eine Strasse der Umwelt nützt! 

• Tatsache ist, dass viele, gar international bedrohte Arten durch die Strasse in der Region direkt oder indirekt durch Zerschneidung, sowie Licht- und Lärm in einer bis anhin dunklen und ruhigen Gegend bedroht würden. 

• Tatsache ist, dass ein Hotspot für Amphibien in der Schweiz stark beeinträchtigt würde. 

• Gemäss Materialbilanz werden ca. 100’000 Tonnen Beton und Asphalt verbaut, die auf die Böden und das Klima einen enormen Einfluss hätten. Damit gelangen etwa 10’000 t CO2 in die Atmosphäre. 

• Um das CO2 zu kompensieren, bräuchte es während einem Jahr einen Wald von 5'000 ha Grösse. Das entspricht 40% des gesamten Berner Staatswaldes. 

Fakt ist: Welche Vertretung der Umweltverbände auf Ebene Projektsteuerung der Kanton auf seiner Website anspricht, ist den Umweltverbänden nicht bekannt … Die Einflussmöglichkeiten der Umweltverbände waren praktisch gleich Null! 

• Regierungsrat Neuhaus rühmt anlässlich der Pressekonferenz am 25.2.2022 den nahen Einbezug der Umweltverbände. «Auf Ebene Projektsteuerung sind nebst der Region Oberaargau sechs Gemeinden involviert. Auch wichtige Verbände der Region Oberaargau sind einbezogen». U.a. genannt werden die Umweltverbände. 

• Tatsache ist, dass die Umweltverbände in Mitwirkungen mitmachen konnten. Die teils grundsätzlichen Bedenken der Umweltverbände wurden jedoch mehrheitlich nicht aufgenommen. 

• Als das Projekt 2019 weitgehend fertig war, konnten sich die Umweltorganisationen lediglich noch zu den Ersatzmassnahmen äussern. 

• Und selbst zu den Ersatzmassnahmen wurden wichtige Einwände von Umweltverbänden und unabhängigen Fachleuten in den Wind geschlagen. 



Behauptung 8: 

«Rücksicht auf die Landwirtschaft» 

https://www.verkehrssanierung-aarwangen.bve.be.ch 



























Behauptung 9: 

«Das Naherholungsgebiet bleibt erhalten» 

https://www.verkehrssanierung-aarwangen.bvd.be.ch/de/start/umweltaspekte.html 

Fakt ist: Den Bauern wird die Strasse vom Kanton durch eine Melioration schmackhaft gemacht, die zwar etwas Linderung bringt, aber den Schaden nicht gutmachen kann. Die örtlichen Bauern wehren sich deswegen gegen die Strasse. 

• Laut «technischem Bericht Landumlegung» dient die Melioration dem Kanton in erster Linie zur Landbeschaffung für die Umfahrungsstrasse. 

• Die heutigen Bewirtschaftungseinheiten sind überwiegend angepasst und entsprechen der aktuellen landwirtschaftlichen Technik. Es besteht wenig Bedarf für eine Melioration. 

• Für Strasse und Flurwege gehen 7,6 ha und für Ersatzmassnahmen 4 ha Fruchtfolgeflächen verloren – das entspricht 16 Fussballfeldern! 

• Temporär werden für Deponie und Baustelleninstallationen nochmals 16,7 ha Ackerböden gebraucht. Nach Wiederherstellung sind diese Böden für einige Zeit weniger ertragreich. 

• Der Verlust und die Qualitäts-Minderung von Fruchtfolgeflächen steht im krassen Widerspruch zum Notstand an Fruchtfolgeflächen. In 7-8 Jahren werden die Reserven des Kantons Bern erschöpft sein! 

• Wer behauptet, dass gegenüber den Bauern Rücksicht genommen wird, sollte auch den Nachweis erbringen können. Tatsache ist jedoch, dass sich die Bauern der Region gegen die Strasse wehren und dabei vom Oberaargauer Bauernverein unterstützt werden2


Fakt ist: Das Naherholungsgebiet wird auf die unvorteilhafteste Art zerschnitten. Sowohl auf Seiten von Aarwangen als auch von Bützberg wird die bisherige Ruhe und Schönheit des Gebiets unwiederbringlich zerstört. Die Region würde eine wichtige Oase für die Naherholung verlieren. 

2 Der Oberaargauer Bauernverein OBV hat sich klar für das Referendum und damit gegen die Umfahrung Aarwangen entschieden. Der Vorstand schlägt dies am 8.2.2023 seinen Mitgliedern an der MV vor.